Tjukurpa – Basis für Gesellschaft und Religion

Tjukurpa – Basis für Gesellschaft und Religion

Wir haben in unserer Zeit in Australien nur sehr wenig über die Geschichte und Kultur der Aborgines erfahren. Bei jedem Gespräch oder Museumsbesuch hatten wir das Gefühl, nur die Oberfläche dieser komplexen Kultur zu streifen.

Erst bei unserem Ausflug ins rote Herz Australiens bekamen wir zum ersten Mal einen Zipfel dieses komplexen Themas zu fassen. Unsere beiden Guides gaben uns mit ihren Geschichten Denkanstöße, um dieses komplexe Thema ein bisschen besser zu verstehen.

Die folgende Liste stellt eine persönliche Sichtweise und keine absolute Wahrheit dar. Es ist eher eine Diskussionsgrundlage, die sich ständig weiterentwickelt.

Kultur der First Nation

Eine kurze unvollständige Aufzählung von Punkten, die ich über die Kultur, vor allem der Anunga, gelernt habe:

  • Auf dem australischen Kontinent haben vor der Kolonisation rund 250 verschiedenen Aborigines-Völker gelebt. Jedes einzelne dieser 250 Völker hat eine eigene Kultur und Sozialsystem entwickelt, immer auf Basis der natürlichen Gegebenheiten, um das eigene Überleben zu sichern.
  • Die Aborigines leben seit mehr als 50.000 Jahren in diesem Land und haben perfekt gelernt, unter den jeweiligen Bedingungen des Landes zu leben. Eine Weiterentwicklung, wie wir sie kennen, ist ihnen fremd, weil das Leben funktioniert und sie ein reiches kulturelles Leben führen. Warum soll man daran was ändern?
  • Der Begriff Traumzeit oder „The Dreaming“ ist irreführend, weil er den Eindruck erweckt, dass die Kultur nur ein Traum sei und nicht real. Aus diesem Grund sollte der Begriff heute auch nicht mehr verwendet werden.
  • Die Anangu verwenden den Begriff Tjukurpa. Es ist keine Religion oder Philosophie, vielmehr ist es das gesamte Wertesystem, auf die die Gesellschaft aufgebaut ist und umfasst Natur, Religion, Recht und soziale Normen, die von Generation zu Generation mündlich und durch Rituale und Zeremonien weitergegeben werden.
  • Die Kultur grenzt sich stark nach außen ab. Wissen wird nur an den eigenen Stamm weitergegeben zum Fortbestehen der Kultur. Außenstehende sind nicht würdig genug, eingeweiht zu werden. Es ist kein Teil der Kultur, Wissen nach außen zu vermitteln. Das ist nicht feindlich gemeint, sondern im Weltverständnis der Aborigines einfach nicht vorgesehen bzw. nicht möglich. Aus diesem Grund dürfen heilige Stätten nicht betreten oder fotografiert werden.
  • Viele Handlungen der Aborigines sind uns fremd. Zum Beispiel muss bei einem Vergehen die dafür verhängte Strafe eine sichtbare Narbe zurücklassen, um den Menschen zu zeichnen. Es ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass er etwas falsch gemacht hat, aber dass ihm vergeben wurde, da er die Strafe auf sich genommen hat. Häufige Bestrafungen sind das Durchstoßen des Oberschenkels mit einem Speer oder Ähnlichem.
  • Die Gesellschaft ist klar in einen Frauen und Männer Bereich getrennt, die auch kulturell ganz andere Rituale und Verantwortungen haben.

Gesellschaftliche Anerkennung

Der Weg zur gesellschaftlichen Anerkennung dauerte sehr lang. Bei der Kolonialisierung des Kontinents wurde das Land der Einfachheit halber für Unbewohnt erklärt. Die Ureinwohner wurden von vorneherein den Tieren und Pflanzen zugeordnet. Damit hatten sie kein Recht auf ihr eigenes Land und durften auch ohne Strafe verjagt und gejagt werden.
Aus heutiger Sicht ist ein solche Handlungsweise unvorstellbar. Was die ganze Sache aber noch absurder macht ist, dass es bis 1967 gedauert hat, bis die Aborigines als vollwertige Bürger Australiens anerkannt wurden und somit voll aktives und passives Wahlrecht erhielten.

Bis heute geht der Kampf um Anerkennung der First Nations weiter. Dieses Jahr wird es eine Volksabstimmung zur Etablierung eines Repräsentanten im Senat geben. Diese ‚Indigenous Voice to Parliament‘ soll erstmals direkt die Rechte der First Nations im Parlament vertreten können.

An dieser Stelle gibt es noch viel zu tun. Grundsätzlich bleibt aber die Frage, ob und wie die verbliebenen Aborigines eine traditionelle Lebensweise beibehalten können, da es keine Möglichkeiten gibt, sich den westlichen Einflüssen zu entziehen.

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