Wie schon mal beschrieben haben wir ja unseren Urlaub etwas umgestellt – gesundheitsbedingt haben wir den Wanderanteil deutlich zurückgeschraubt und andere Aktivitäten in den Vordergrund gestellt. Normalerweise ist Karakol ein Wanderparadies für Tagestouren aber vor allem für mehrtägige Treks zu Fuß oder zu Pferd.
Es ist noch etwas früh im Jahr und viele Treks sind noch nicht offen, aber die ersten Tourgruppen machen sich auf den Weg in das unwegsame und wenig erschlossene Tian Shan Gebirge. Von hier bis nach China gibt es theoretisch nur noch hunderte Kilometer unberührte Natur und ein paar wenige Nomadencamps.
Wir hatten uns heute morgen eine Stadtführung mit einem privaten Guide gebucht, um die Stadt noch besser kennenzulernen. Die junge Dame, die sich mit uns auf den Weg durch die Stadt machte war weder kirgisischer noch russische Abstimmung vielmehr stammten die Urgroßeltern aus der Ukraine und waren unter Stalin in den Osten Zentralasiens geflüchtet.
Geschichte Karakols
Insgesamt ist die Geschichte Karakols sehr eng mit Flucht und Vertreibung verbunden. Offiziell wurde die Stadt Ende des 19. Jh als russischer Militärposten gegründet. Aber die Region war auch schon davor bei den Nomaden Kirgistans ein wichtiger Handelsplatz, der eng mit der Seidenstraße verknüpft war. Über die Jahre siedelten sich hier Kossacken, Tataren, Kirgisen, Russen, Ukrainer und Uiguren an. Eine der bedeutensten Gruppen waren die Dungan, die 19. Jh aus China einwanderten, um hier ihren Glauben leben zu können. Leider hat das ja auch wieder nur bis zur Oktoberrevolution gehalten. Die Sowjets hatten ja mit Religion nix am Hut und machten aus Kirchen Ställe, Radiostationen oder Sporthallen.
Ein weiterer beliebter Volkssport in der Sowjetunion war die sinnbefreite Umbenennung von Ortschaften. Im Falle von Karakol wurde der Ort über die Jahre mehrmals in Przhevalsky umbenannt – warum? Nun der Name ist euch vielleicht in Bezug auf das berühmte Przhevalsky Pferd mal begegnet. Nikolay Przhevalsky war im 19. Jahrhundert ein bedeutender Wissenschaftler und Geograph der im Osten Zentralasiens viele Gebiete zum ersten Mal kartografierte und Tiere und Pflanzen kategorisierte. Dieser berühmte russische Gelehrte hatte das Pech, sich in Karakol mit Typhus anzustecken und verstarb hier. Aus diesem Grund wurde die Stadt sofort zu seinen Ehren in Przhevalsky umbenannt. In den nächsten 100 Jahren wechselte der Ortsnamen je nach politischer Ausrichtung und erst seit der UnabhängikgKeit ist Karakol wieder Karakol…
Orthodoxe Kirche
Erster Stopp unserer Führung war die russisch orthodoxe Kirche aus dem 19. Jh. Eine wunderschöne Holzkirche mit blauen Dächern und goldenen Kreuzen. Auch diese Kirche wurde mehrmals restauriert und neu aufgebaut, während der Sowjetzeit war die Kirche eine Sporthalle. Heute dient sie der kleinen orthodoxen Gemeinde des Ortes als Hauptkirche. Wir hatten das große Glück, dass während wir vorbeischauten ein kleiner Gottesdienst stattfand und der Gesang der wenigen anwesenden Frauen gab dem Gebäude noch einmal ein ganz anderen Charme.
Dungan Mosque
Zweiter Stopp war die berühmte Dungan Mosque, die ebenfalls aus dem 19.Jh stammt. Die Mosche sieht aus wie eine Mischung aus Pagode und buddhistischem Tempel. Die chinesischen Einflüsse ihrer Erbauer sind in der Struktur eindeutig zu erkennen. Obwohl im Islam keine figürlichen Darstellung erlaubt sind findet sich wie bei chinesischen Tempeln an dem einen oder anderen Dachreiter noch ein versteckter Drachenkopf oder auch ein Lotus, Apfel oder Weinrebe. Ein wirklich faszinierendes Gebäude, das in seiner architektonischen Form einzigartig ist.
Muezzin
Wir sind ja jetzt eine ganze Weile in Zentralasien unterwegs und haben mehrere sehr muslimisch geprägte Länder besucht! Dabei ist uns aufgefallen, dass wir wirklich nur sehr selten den Ruf eines Muezzins gehört haben. Obwohl viele Menschen zum Beten in die Moschee kommen, ist es scheinbar nicht mehr nötig, sie aktiv herbeizurufen. Warum ist das so? Die moderne digitale Welt hat auch die Muslime eingeholt. Die meisten Gemeinden hier in Zentralasien haben ihre Schäfchen in die Eigenverantwortung entlassen und verweisen darauf, dass jeder gefälligst mit seinem Handy die Gebetszeiten abfragen kann – und natürlich bleibt die Frage – gibt es da nicht eine App für? Und die Antwort ist – eine? eher hunderte 😉
Sonstige Attraktionen
Auf unserem Weg besuchten wir noch weitere Attraktionen der Stadt, unter anderem das Weiße Haus der Stadtverwaltung, die Essenstraße und das neue Kino. Vor dem Kino steht eine riesige Statue von einem Typ auf einem Pferd, der aber kein alter Krieger, sondern eher ein kirgisischer Tom Cruise ist. Die Statue ist von einem lokalen Kinohelden, der alle seine Stunts selber gemacht hat und vor allem für seine Reiterszenen bekannt war – Sachen gibt’s!
Im Kino gab es dann noch einen exzellenten Flat White für uns, bevor wir uns in die verschlungenen Gassen des Bazars aufmachten
Bazar
Was uns hier als erstes auffiel ist, dass ein Großteil des Basars aus ausgemusterten Containern bestand. Keine alten Hallen aus Mittelalter oder Sowjetzeit. Nein, hier wurde ein Containerdorf als Handelsplatz errichtet. Die einzelnen Container sind komplett ausgestattet mit Strom und Licht und können abends ganz praktisch einfach zugeklappt werden. Sehr spannend! Der Markt hat einen relativ entspannten Vibe und man bekommt hier wieder alles von einer alten rostigen Second Hand Schraube bis zur Unterwäsche Ausstattung für die Hochzeitsnacht 😉 Wir hatten wieder viel Spaß durch die Gassen zu streifen und immer wieder neue Dinge zu entdecken.
Heiße Quellen
Für unsere Nachmittagsunterhaltung haben wir uns die nahegelegenen heißen Quellen ausgesucht. Mal sehen, welcher alte Audi oder Passat uns dahin schaukelt. Das ist übrigens auch sehr interessant – alte Autos hier sind fast alle aus Deutschland. Dien Menge an uralten VW Passat, Golf, Jetta und verschieden Varianten von Audi 100 sind sehr beindruckend. Alle mindestens 30 Jahre alt – fahren aber noch irgendwie – der deutsche TÜV wäre natürlich nicht hundertprozentig glücklich ;-). Natürlich bekamen wir dieses Mal kein deutsches, sondern ein japanisches Auto – aber das Alter war immerhin ähnlich.

Zurück zu den heißen Quellen. Nur eine halbe Stunde Taxifahrt entfernt liegt ein kleines Spa mit mehreren in Stein gefassten Becken mit Temperaturen zwischen 38 und fast 50 Grad. Das Ganze ist wunderschön angelegt und macht einen ruhigen, sauberen und entspannten Eindruck. Der Ablauf ist hier sehr klar strukturiert. Man zahlt 4 Euro Eintritt für 1 Stunde Badezeit und bekommt einen Schlüssel für die Garderobe! Und nach wenigen Minuten taucht man in das über 40 Grad heiße Wasser und spürt wie die Entspannung sofort einsetzt. Also wirklich ein sehr schöner Ort zum entspannen. Für die mutigen gibt es auch die Möglichkeit direkt aus dem Fluss einen Eimer eisiges Wasser zu ziehen und sich damit zu übergießen – na das muss jetzt auch nicht sein. Wir haben unsere Stunde sehr genossen und fühlen uns gerade richtig erholt.
So, morgen geht es dann zu einer kleinen Wanderung ins Gebirge- mal sehen, wie sich das Wetter morgen entwickelt.
Hallo Entspannte, ich freue mich sehr, dass ihr dieses schöne Thermalbad benutzt habt, um euren strapazierten Körpern etwas Gutes zu tun.
Die Sache mit den alten deutschen Autos habe wir in Albanien schon einmal erlebt. Die Albaner fuhren hauptsächlich alte Mercedes. Sie lobten deutsche Autos und sagten: das sind die besten, egal wie alt.
Den Markt aus alten Containern finde ich sehr praktisch. Alles ist in kürzester Zeit wettersicher aufgeräumt und ausrangierte Container dienen noch einem guten Zweck.
Diese orthodoxe Holzkirche ist sehr schön. Man kann sehen wie das Holz bearbeitet und verarbeitet wurde. Genau das macht den besonderen Reiz dieser Kirche aus.
Grüße aus dem wetterturbulenten Deutschland.