Eine der wichtigsten historischen Stätten auf Tasmanien ist das ehemalige Strafgefangenlager von Port Arthur. Es soll exemplarisch zeigen, wie im 19. Jh das Leben in einem „convict settlement“ des britischen Empire ablief.
Soweit die Theorie – aus unserer Sicht fehlte es an der praktischen Umsetzung.
Unser heutiger Tag war sowieso schon etwas komplizierter, weil aus unerfindlichen Gründen niemand auf dieser Insel daran gedacht hat, dass Menschen auch von Norden in Richtung Port Arthur fahren wollen. Alle direkten Routen endeten in Schotterpisten, die nur noch mit Vierradantrieb zu befahren waren. Also wurde unsere Fahrt zu einer kleinen Odyssee mit einem riesigen Umweg von fast 50km, um auf die Halbinsel zu gelangen.
Zurück zu unserem heutigen Besuch im Unesco Welterbe Port Arthur.
This Australian Convict Sites World Heritage property is part of a serial listing of eleven sites across Australia that collectively represent the worlds first conscious attempt to build a new society on the labour of convicted prisoners.
The eleven sites are pre-eminent examples of Australias rich convict history, with more than 3000 convict sites remaining around Australia.
Visitor Guide – Port Arthur Historical Site.
Diese Einleitung in unserem kleinen Visitor Guide zeigt aus meiner ganz persönlichen Sicht die Problematik in diesem Freilichtmuseum. Von der ersten Minute war ich auf der Suche nach einer kritischen Auseinandersetzung mit der hier stattgefundenen Geschichte. Statt dessen wurde die Brutalität und menschenverachtende Praxis der erzwungenen Migration und der hier herrschenden Bedingungen mit einer lakonischen bis ins lächerliche gehende Art und Weise begegnet. Wenn die Witzchen des Tourguides in ein heiteres Nachstellen des Auspeitschens der Gefangenen münden, bleibt einem das Lachen doch im Hals stecken – das schien aber zumindest auf unserer Tour nur uns so zu gehen…
Ich war auf der Suche nach einem Auftrag, den sich das Museum gesetzt hat. Etwa wie in Deutschland, wo die Erinnerung an die Gräuel des Holocaust stets unter der Prämisse steht: Wir müssen uns erinnern, damit so etwas „Nie wieder“ passiert.
In einer Zeit, in der Großbritannien legale Asylbewerber nach Ruanda fliegt, um sie dort in Lager unterzubringen, bis ihre Asylanträge geprüft werden, ist es für mich unfassbar, dass hier diese Vergangenheit eher verklärt wird.
Ganz ehrlich, die Anlage ähnelt Stand heute einem englischen Park mit einer Handvoll Ruinen. Man sieht die Gebäude der feinen Gesellschaft und natürlich auch die Zellenblocks.
Port Arthur war im globalen System der erzwungenen Migration nicht die erste Anlaufstelle. Vielmehr wurden die Verurteilten nach ihrer Ankunft in Australien oder Tasmanien wie Sklaven verteilt und reiche Grundbesitzer konnten sich die passenden Arbeiter für die Entwicklung ihres Landes aussuchen.
Nach Port Arthur kamen die Sträflinge erst, wenn sie rückfällig geworden sind und ihre Dienstherrn bestohlen hatten oder versucht hatten zu flüchten. Hier wurden sie mit harter Arbeit zur Ertüchtigung von Körper und Geist zurück auf den richtigen Pfad geführt. Das Lager war hochprofitabel, da die meisten Gefangenen sehr gute Ausbildungen hatten und auf dem Gelände allerlei produziert wurde, z.B. Ziegel, diverse Alltagsgegenstände und auch Boote und Schiffe, die in Hobart verkauft wurden.
Wie perfide das System war, zeigt sich im „neuen reformierten“ Strafvollzug. Nicht mehr körperliche Züchtigung sollte zur Läuterung führen, sondern Bestrafung durch Isolation und Kontemplation. Die Häftlinge wurden für 23h in Einzelhaft und bei Sprechverbot gehalten und bei weiteren Vergehen kam noch Dunkelhaft dazu.
Das Gefängnis gab es nur knapp 50 Jahre, gegen Ende lebten hier hauptsächlich ehemalige Gefangene, die im Armenhaus untergebracht waren und in wenig besseren Verhältnissen ihren Alltag fristeten.
Diese einzelnen Informationen erarbeitet man sich nach und nach. Wie aber gesagt fehlt mir ein zentrale Aufarbeitung dieser Geschichte. Ganz versteckt in einem verstaubten Ausstellungsdisplay gibt es eine einzige Schautafel, die sich sehr verworren mit der Frage beschäftigt, woher wir Australier kommen und was das Ganze bedeutet. Aber auch hier gibt es keine echte Auseinandersetzung vielmehr endet es mit einem jeder darf das machen was er will.
An dieser Stelle will ich das Kapitel schließen und mich morgen lieber wieder mit der faszinierenden Natur Tasmaniens beschäftigen.
Hallo, es wäre zu schön gewesen, wenn ihr auf eurer Reise nur Friede, Freude, Eierkuchen kennen gelernt hättet. Aber überall auf der Welt wo Menschen leben, gibt es dunkle Punkte, egal ob jetzt oder in der Vergangenheit. Die heutigen Missetaten werden vertuscht und die vergangenen werden oft in fragwürdigen Sehenswürdigkeiten zur Schau gestellt. Die meisten Besucher schauen sich das an und sagen: Naja so war das eben früher! Siehe mittelalterliche Folterwerkzeuge.
Ich freue mich auf euren nächsten den Bericht mit schönen Bildern.
Ganz liebe Grüße W. & S.