West Coast Wilderness Railway vs The Ship That Never Was
Wir hatten uns für den heutigen Tag zwei große Highlights ausgesucht und wir haben heute so viel erlebt, dass es nicht so einfach ist, das alles in einen Blog zu pressen – also probieren wir es:
Eisenbahn ohne Romantik
Der Tag begann wieder einmal recht früh mit der Fahrt nach Queenstown. Wir hatten uns nach langem Abwägen entschlossen, die Eisenbahn und nicht das Schiff für unsere Expedition in die Wildnis zu wählen. Und wenn schon Eisenbahn, dann auch mit allen Annehmlichkeiten. Also haben wir uns ein klein wenig Orient Express im australischen Urwald gebucht. So wurden wir während der 5h Fahrt regelmässig gefüttert und gewässert.
Geschichte der Eisenbahn
Es ist schon ein verrücktes Unterfangen, am Ende der Welt im Regenwald eine Eisenbahn durch komplett unbekanntes Gebiet zu bauen. Also stellt sich die Frage: warum tut sich der Mensch so etwas an? Wie immer liegt es an der Ausbeutung von Naturschätzen. Nachdem der erste Goldrausch in Queenstown verflogen war, hatte ein findiger Unternehmer den wahren Schatz der Gegend ausfindig gemacht – Kupfer! Wie soll man aber die deutlich größeren Mengen an Kupfer an einen Hafen bringen, um sie zu verschiffen? Die verrückte Idee war, eine Eisenbahnlinie durch den Urwald zu schlagen.
Erst einmal musste eine mögliche Routenführung gefunden werden. Das allein stellte die Landvermesser schon vor eine unlösbare Aufgabe. Doch irgendwie fanden sie eine Linie, die umsetzbar schien. Ihr könnt euch kein Bild von diesem temperierten Regenwald machen. Es ist derselbe Regenwald wie schon in Fjordland in Neuseeland. 3M Regen pro Jahr und so dicht bewachsen, dass man die Hand vor Augen nicht sieht und irgendjemand findet da einen Weg für eine Eisenbahn – unglaublich.
Das Problem war nur, es musste ein Berg überwunden werden. Wie praktisch, dass ein Herr Abt aus der Schweiz gerade eine Zahnradunterstützung für Eisenbahn erfunden hatte und diese im Harz schon funktionierte.
Ohne zu wissen, ob das hier überhaupt auch klappt, wurde das System einfach mal geordert – in der Hoffnung: wird schon passen!
Find your Way or make one!
Anthony Edwin Bowes Kelly
Nach diesem Prinzip wurde hier jedes Hindernis aus dem Weg geräumt.
Die Arbeitsbedingungen, unter denen die Eisenbahn gebaut wurde, müssen unbeschreiblich gewesen sein. Die Arbeiter mussten von ihrem Lohn ihr Essen, ihr Arbeitsgerät, die Ausrüstung und die Zeltplane zum Schlafen selber kaufen. So blieb vom Lohn fast nichts mehr übrig. 6 Tage wurde von morgens bis abends geschuftet im Regen und im Schlamm. Trocken und warm war man während der Zeit nie, und musste sich nebenher auch noch mit Blutegeln und Schlangen herumärgern.
Trotz allem wurde die Eisenbahn nach 4 Jahren eröffnet und ist bis heute ein technisches Meisterwerk, das den Menschen von Queenstown eine Verbindung zur Außenwelt garantierte.
Die Fahrt
Es ist ein unvergessliches Erlebnis, mit diesem Stück Eisenbahgeschichte durch den Regenwald zu fahren. Die Ausblicke sind unbeschreiblich und man fühlt sich recht klein inmitten von soviel Wildnis. Auf der Fahrt werden mehrere Stopps eingelegt, die die Geschichte und das Leben entlang der Eisenbahn zum Leben erwecken.
An der ersten Station durften wir auch ein bisschen Gold waschen und tatsächlich hat eine Mitreisende einen kleinen Flusen Gold gefunden. Aber wie schon gesagt, Gold war hier nicht der wahre Grund für die Fahrt.
An den anderen Stationen konnte man etwas über die ehemaligen Siedlungen erfahren und unter welch schwierigen Bedingungen Leute hier gelebt haben. Alle diese Geschichten wurden uns von unserer Zugbegleiterin Bec mit unheimlich viel Leidenschaft und Lokalkolorit vorgetragen.
Ich könnte hier noch einige ihrer Geschichten über die wilden Picknicks, die Eisenbahnkinder oder die Farm die es hier gab erzählen – aber das würde den zeitlichen Rahmen heute Abend sprengen.
Noch ein kleines technisches Detail zum nachdenken – zum Überwinden der Steigung von 8% auf 2km Strecke braucht die Lok 3000l Wasser! Das ist übrigens eine der steilsten Steigungen, die von einem Zug überwunden wird in der südlichen Hemisphäre!
Außerdem ist es faszinierend zu sehen, wie die Lokomotive am Endbahnhof per Hand auf dem Drehteller umgedreht wird.
Essen
Wie schon gesagt es ist ein bisschen dekadent, sich die ganzen Geschichten von dem harten Leben der Arbeiter anzuhören und gemütlich erster Klasse mit vollem Service durch die Gegend zu gondeln. Schlechtes Gewissen? Nein nicht wirklich 😉
Wie gesagt wir wurden die ganze Fahrt über mit Kleinigkeiten gefüttert und liebevoll vom Service mit Getränken umsorgt. Angefangen über Aperitif, über Scones zum Mittagessen mit Süßkartoffelsalat bis zum Dessert. Alles dabei und wir haben jeden Gang genossen und gewürdigt.
Alles in allem ein sehr eindrucksvolles Erlebnis, dass wir uneingeschränkt empfehlen können.
Zusatzanmerkung
Es ist schwer zu greifen, wie entlegen der Westen Tasmaniens bis heute ist. Im Winter kann es regelmäßig vorkommen, dass die Straße nach Queenstown unpassierbar wird. Auf der Strecke hat man auch keinen Telefonempfang. Die Gastgeberin hier erwägt, sich ein Satellitentelefon anzuschaffen, weil hier schnell ein Notfall auf der Straße passieren kann. Vor allem wenn im Winter die Straße unterspült wird oder Bäume auf die Straße fallen und hoffentlich jemand mit einer Kettensäge auf der Ladefläche vorbeikommt.
Es ist für diese kleine verschworene Gemeinde hier immer noch ein Leben mit vielen Herausforderungen.
The Ship that never was
Nachdem die erste Hälfte des Tages mit Natur und Industriegeschichte gefüllt war, gehörte der späte Nachmittag der Kultur. Das Theaterstück – „The Ship that never was“ frei übersetzt: „Das Schiff, dass es nie gab“ ist das am längsten durchgehend aufgeführte Theaterstück in Australien und wird hier in Strahan seit 29 Jahren gespielt.
Worum geht es?
Es ist die wahre Geschichte eines Gefangenausbruchs von 10 Strafgefangenen.
Aha! und?
Also, sie haben erfolgreich ein im Bau befindliches Schiff gekapert und sind damit nach Chile gesegelt!
Wow!
Genau – aber sie wurden dort wieder aufgegriffen und wurden zurückgeschickt und vor Gericht gestellt. Und die Geschichte mündet darin, wie sie sich vor dem Magistrat verteidigen!
Ok, hört sich aber nach schwerer Kost an.
Im Gegenteil, das ganze ist als Zweimann-Komödie mit unendlichem Einfallsreichtum bei Bühnenbild und Requisiten aufgezogen. Das ganze Publikum wird in das Spiel mit eingebunden und verschiedene Leute aus dem Publikum müssen sich verkleiden und auf der Bühne aktiv mitwirken – egal ob als Pirat, Papagei oder Katze.
Und die Leute machen da mit?
Es ist ein riesengroßer Spaß. Es wird gelacht, gesungen und getanzt und ab und an schwimmt eine Qualle durchs Bild. Die beiden Schauspieler sind so mit Leib und Seele dabei, dass kein Auge trocken bleibt. Vor allem, da wir alle mit Spritzpistolen den großen Sturm auf den Weg nach Chile live darstellten.
Sehr interessant – und wie geht es aus?
Ich möchte ja nicht zu viel verraten, falls jemand hier mal zufällig am Ende der Welt das Theaterstück ansehen will. Nun ok, das Ganze geht gut aus!
Geht es noch ein bisschen detaillierter?
Aufgrund eines bürokratischen Winkelzugs sprangen sie dem Tod von der Schippe und wurden nur zu Straflager statt dem Strick verurteilt!
OK gerettet durch die Bürokratie, wie praktisch! Und was war denn nun das bürokratische Versäumnis?
Die Lösung liegt im Titel des Stücks: Das Schiff war, als sie es gekapert hatten, noch im Bau. Aus diesem Grund war es überhaupt nicht im Schiffsregister eingetragen. Offiziell gab es also gar kein Schiff. Vielmehr haben sie kein Schiff gekapert, sondern nur ein paar Planken und Segeltuch geklaut. Also kein Todesurteil, sondern Straflager.
Alle 10 haben es in den nächsten Jahren auf die eine oder andere Art und Weise noch geschafft, wieder in Freiheit zu kommen.
Wir hatten sehr sehr unterhaltsame 75 Minuten und unheimlich viel Spaß. Jeder, der nach Tasmanien kommt sollte dieses Stück gesehen haben!
Die andere Seite der Medaille
Am Abend hatten wir dann noch ein sehr langes und ausführliches Gespräch mit unserer Gastgeberin des AirBnB über die fehlende Anerkennung der Kultur der Aborigines in Tasmanien. Es ist sehr interessant, hier neben den offiziellen Statements auch einmal eine private Stimme zu hören, die ein facettenreicheres Bild der Situation schildert und nicht nur die Hochglanzprospekte des Tourismus und Regierung zitiert.
Aus ihrer Sicht wäre es unheimlich wichtig, die First Nations in Tasmanien sichtbarer zu machen. Auch aus unserer Sicht wird dieser Teil der australischen Geschichte und Kultur hier immer noch versteckt. Es gibt also noch einiges zu tun, um die Vergangenheit mit allen ihren negativen Punkten wirklich anzuerkennen.
Für uns einige neue Erkenntnisse und Erfahrungen, über die wir uns die nächsten Tagen noch ausführlicher Gedanken machen werden.
Für alle, die an
Hallo,
jeden Tag ein volles Programm – kontrastreich wie es unterschiedlicher nicht geht ! Ihr habt euch wahrhaftig eine Reise der Superlative zusammengestellt. Wie lässt sich das alles körperlich und seelisch bewältigen und verarbeiten? Ich finde es großartig, dass ihr zum Großteil Privatquartiere habt und so auch etwas über das „normale “ Leben erfahren könnt im Austausch mit euren Gastgebern.
Sehr liebe Grüße von zuhause! Elisabeth
Ich freue mich mit euch, dass ihr einen so interessanten Tag erleben konntet.
Alles da: Zugfahrt, Goldwäsche, Wildnis, verschiedene Häppchen, sogar eine kleine Schlange, und ein besonderes Theater.
Außerdem habt ihr sehr viel über Australien früher und Australien heute gelernt. Dabei auch mitbekommen, dass die Ureinwohner, wie überall auf der Welt, heute noch benachteiligt sind und werden.
Bestimmt werdet ihr noch viele bemerkenswerte Dinge kennen lernen.
Passt auf euch auf und lernt noch viel Neues kennen.
Herzliche Grüße W. & S.